Im Moment wollte er nichts lieber als die anderen finden und aus diesen unheilvollen höhle verschwinden, vielleicht eine Kleinigkeit essen – sein Blutzuckerspiegel befand sich zusammen mit seiner Laune auf einem neuen Tiefpunkt – und irgendjemanden finden mit dem er reden und dem er vertrauen konnte. Was diesen jemanden anging wäre natürlich Matthew seine erste Wahl gewesen, aber in letzter Zeit und grade heute verhielt er sich einfach so untypisch das Morgen vielleicht schon jeder auf diesem blöden Trip seine Probleme kannte. Das er von Kuscheltieren angefangen hatte, war in etwa so privat, wie denn anderen zu erzählen in welchem alter er aufgehört hatte ins Bett zu machen.
Seine neue Männerfreundschaft mit Welner hingegen hatte grade mal 5 Minuten gehalten. Was zugegeben vielleicht an ihm gelegen hatte, weil er zufrieden gewesen war, kaum das die Weißrussin von Matthew abgelassen und sich stattdessen ihm zugewandt hatte. Außerdem schien der Schotte Natalia nicht unbedingt zu mögen und er wollte keine Ratschläge hören, die dahin gingen, sie gemeinsam um die Ecke zu bringen oder so.
Blieb natürlich noch Arthur, aber der würde ihm wahrscheinlich nur sagen, das sie in der Höhle nichts zu suchen gehabt hätten, das der Minimalabstand zwischen einem Jungen und einem Mädchen mindestens 30 Zentimeter war und das die Schule zum lernen da war, nicht um Liebes-(oder jedwede andere)-Beziehungen zu knüpfen. Wenn er sie nicht direkt dem Lehrer vorsetzte… vorausgesetzt dieser war bereits aus dem Krankenhaus zurück…
Und ansonsten? Er hatte über 300 Freunde bei Facebook, warum zur Hölle hatte er nicht eine Person, mit der er ein normales Männergespräch führen konnte?!
Als ihn bei dieser ernüchternden Erkenntnis grade das Herz in die Hose rutschen wollte Griff die Weißrussin hinter ihm wieder nach seinem Arm. Das half nicht. Und doch ließ er sich viel zu gehorsam zurückziehen, um sich wieder zu der Weißblonden umzudrehen. Was sich nur wenige Momente Später als ein riesiger Fehler erwies. Natürlich war sich der Blonde bewusst das auch er in seinem Ausbruch eben, viel gesagt hatte und sicher auch vieles, dass er im hinterher gerne zurückgenommen hätte, doch egal was er auch gesagt oder getan hatte, Natalia übertraf noch einmal alles.
Von ihrem Lächeln, über die Momente wo sie ihm Tief in die Augen, sah bis hin zum Kuss, war es wie die Szene in einem Film und doch so unpassend das der Blonde nicht wusste ob er lachen oder heulen sollte. So schön diese Szene an und für sich im Film auch war, fühlte sie sich einfach Falsch an. Unwirklich und aus dem Kontext gerissen, als habe er sie beim durchzappen im Fernsehen zufällig gefunden, aber weder den Anfang noch den Verlauf der Geschichte mitbekommen. Als würde man ein Buch aufschlagen, um auf der letzten Seite das Happy End zu lesen.
Es gab kein Abenteuer, keine Spannung und kein Romantisches kribbeln, er fühlte sich wie eine Statue kalt und leer. Dieses Mal war es auch nicht so, dass er keine Erwiderungen für ihre Worte finden würde, doch er hatte seine Lippen und Zähne so fest aufeinandergepresst, dass er nicht einen Ton herausbrachte. Gerne hätte er ihr gesagt, dass der Fakt das jemand keine Freundin hatte, kein Freifahrtschein dafür war ihn zu küssen, weil dieser Jemand durchaus Gefühle für jemanden haben konnte. Das er sehr wohl verdammt sauer auf sie war, weil sie mit ihm spielte wie auf einem billigen Klavier und vor allem, hätte er verdammt gerne laut aufgelacht und ihr kopfschüttelnd gesagt das sie, von diesem Falschen lächeln abgesehen, noch nicht einmal gelacht hatte, seit sie zu dieser Erkundungstour hier aufgebrochen waren.
Alfred fühlte sich verdammt Dumm, dass er so lange gebraucht hatte zu begreifen was sie da tat und er hatte ein verdammt schlechtes Gewissen. Immerhin war der Blonde eifersüchtig und echt wütend auf Matthew gewesen, als er gesehen hatte wie Natalia sich schniefend an ihn gelehnt hatte. Aber wie es jetzt aussah hatte er seinem Bruder echt unrecht damit getan. Das war nicht seine schuld gewesen, offenbar war Natalia einfach so, sie nahm sich einfach die Schulter die grade da, war als Ersatz für die dies es das eben nicht war. Und jetzt war er eben da und da Alfred sicher nicht so entgegenkommend mit Komplimenten und Aufmunterungen gewesen war wie sein Bruder, hatte sie eben noch ein wenig weiter gehen müssen, um doch noch eines aus ihm heraus zu locken.
Aber diese Genugtuung würde er ihr sicher nicht geben. Als die Weißblonde endlich einen Schritt von ihm wegtrat spürte er wie sich sein Kiefer langsam aber sich etwas entspannte, doch noch ehe er endlich etwas sagen konnte hörte er wie eine weibliche Stimme Natalias Spitznamen rief. Hastig wandte er sich um und sah wie schnell ein zweiter Lichtkegel ihnen entgegenkommend größer wurde. Da er sicher keine Szene veranstalten würde, wenn die anderen wieder bei ihnen waren, sah er noch einmal zu der Weißrussin, Strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr und sagte mit einem Lächeln: „weißt du es ist wirklich zu schade, dass du bereits im Kochclub bist, die Theatergruppe könnte jemanden mit deinem Talent sicher gut gebrauchen.“
Dann wandte er sich endgültig von ihr ab, vergrub eine Hand in der Tasche und leuchtete den näherkommenden Schritten entgegen. Die erste die er sah war Sophie, die offenbar Yakyak gefunden hatte. Und Matthew. Und Welner hing ja sowieso immer an ihr. Auf die Worte der Bretonin hin nickte er „Oh ja, ich auch.“ Und er war wirklich am Verhungern, immerhin hatte er eigentlich schon etwas essen wollen bevor sie sich Natalais Gruppe angeschlossen hatten. „Keine Ahnung, aber wir sind in unserem Gang grade hier in diesen Nebenarm abgebogen, in der Hoffnung wieder mit euch zusammen zu treffen. Wir könnten zurück gehen und schauen ob der Hauptgang uns hier raus bringt.“ Und zwar so schnell wie möglich.
Ohne eine Antwort abzuwarten marschierte er an Natalia vorbei und die wenigen Meter zurück in den Hauptgang, aus dem die beiden kurz zuvor gekommen waren. Er hielt sich rechts und nach einer lang gestreckten Kurve sah er neuerlich einen Weg, der nach oben zu führen schien und zu seiner positiven Überraschung wurde es dort auch wieder Heller. Leicht schnaubend wegen der Steigung stieg er hinauf und trat wenige Minuten Später ins warme Sonnenlicht.
Er war aus Moria entkommen und doch hatten sie Gandalf verloren – aka seine Küss-Unschuld, falls es denn sowas gab – und wahrscheinlich lag ein noch schwierigerer Weg vor ihnen. Vielleicht war der vergleich etwas übertrieben, doch als der Amerikaner fertig war tief die frische Luft einzuatmen und sich darüber Gedanken zu machen ob er nun jemals würde Heiraten können realisierte er das dieser Ausgang sie mitten in einen Wald hinein geführt hatte einen Klippigen am Abhang stehenden Wald. „Okay, dann müssen wir jetzt ja nur den Weg zurück zum Hotel“ oder besser der Stadt, wenn er nicht schnell einen BicMac bekam würde er sicher jemanden umbringen „finden“, sagte er zu niemand bestimmtes und mit leicht gerunzelter Stirn als er sich wieder zu dem Höhleneingang umwandte.